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Die Triple Tragödie

  • Autorenbild: ralph kleeb
    ralph kleeb
  • 20. Okt. 2019
  • 2 Min. Lesezeit

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Das Telefon klingelt und am anderen Ende der Leitung meldet sich der 90-jährige Emil Kaufmann* aus Wallisellen: «Ich will meine Kinder enterben und zwar sofort». Ich versuche den betagten Mann zu beruhigen, muss ihm aber auch mitteilen, dass sein Wunsch nicht einfach zu erfüllen sei.



«Wollen Ihre Kinder Sie umbringen oder fanden sonstige extreme Ereignisse statt?». «Nein, aber meine Kinder wollen einfach nichts mehr mit mir und meiner Frau zu tun haben». Ich versuche ihm im persönlichen Gespräch die rechtlichen Grundlagen darzulegen, zeige ihm die Pflichtteile auf und wie er und seine Frau sich beim Ableben eines Partners finanziell schützen können: Testament mit Maximalbegünstigung, Nutzniessungsrecht der Eigentumswohnung, Vertrauensperson als Willensvollstrecker etc.


Auch wenn hier eine menschliche Tragödie vorliegt, die finanziellen Auswirkungen sind einigermassen kalkulierbar. Doch es liegt noch nicht alles auf dem Tisch.


«Warum soll meine Ehefrau so viel erben. Ich will das nicht, denn Sie würde alles verjubeln. Kann ich mich scheiden lassen?» «Ja, natürlich können Sie das, aber ich kann Ihre Situation zu wenig beurteilen, ob ein solcher Schritt Sinn machen würde» erwidere ich und verweise gleichzeitig auf spezialisierte Institutionen.


Eine Paartherapie in rekordhohem Alter – warum nicht? «Das ist nichts für uns. Wir sprechen ja seit fast 60 Jahren kaum noch miteinander. Warum sollen wir das jetzt tun?». Bei der 2. Tragödie fehlen mir irgendwie die richtigen Argumente.


«Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Herr Kaufmann?» «Ich fühle mich unwohl mit meiner Bankbeziehung, wollte meine Anlagen reduzieren und die fällige Hypothek zurückzahlen. Geld dazu ist genug vorhanden. Mein Berater hat mir dringend davon abgeraten. Nun bin ich unsicher, was ich tun soll».


Jetzt kann ich aus dem Vollen schöpfen. Die Analyse der Anlagefonds ist ernüchternd, ausschliesslich Obligationen mit negativer Rendite auf Verfall. Hinzu kommen die Produktkosten sowie das Mandat zur Vermögensverwaltung. Die offerierte Hypothek ist mit 1% auf 5 Jahre auch nicht wirklich günstig.


Die Sache ist für mich eindeutig: «Ich empfehle Ihnen dringend, die gesamte Vermögensverwaltung aufzulösen und die Hypothek vollständig zurückzuzahlen. Die überschüssigen Gelder können Sie dann als gute Reserve auf dem Konto belassen. Sie sparen so gut 12'000 Franken pro Jahr an Gebühren und Zinsen – netto nach Steuern versteht sich.»

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«Oh vielen Dank, das hätte ich nie gedacht, dass ich so viel sparen kann. Ich werde meine Bank kontaktieren», meint der rüstige Rentner beeindruckt. Nach einer Woche sprechen wir nochmals am Telefon, wie der Stand der Dinge ist. «Wir lassen alles so, wie es ist. Kein neues Testament, keine Paartherapie. Die Vermögensverwaltung bleibt bestehen und die Hypothek habe ich erneuert. Ich möchte niemanden verärgern. Und Ihnen möchte ich gerne eine gute Flasche Wein für Ihre hervorragende Beratung schenken».


Ich lehne dankend ab. «Geben Sie die Flasche Ihrem Bankberater. Sie passt besser zu ihm und er hat allen Grund zum Feiern». Herr Kaufmann wird kein Stammkunde von mir und bleibt mit seiner Triple-Tragödie alleine zurück. Mein Mitleid hält sich dennoch in Grenzen. Ich freue mich auf bestehende und neue Kunden, die meiner Beratung echte Wertschätzung entgegenbringen. Und privat ist bei mir alles im Lot – keine der erwähnten Tragödien. Was habe ich für ein Glück!


*Name geändert

 
 
 

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